Fritz Lang in Wien: Die Anfänge eines filmischen Visionärs
Fritz Lang, der visionäre Filmemacher hinter Klassikern wie Metropolis und M, gehört zu den prägendsten Persönlichkeiten der Filmgeschichte. Doch bevor er sich einen Namen als Meister des deutschen Expressionismus machte und später in Hollywood erfolgreich war, nahm seine Reise in Wien ihren Anfang. Die Stadt spielte eine zentrale Rolle in seiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung und war der Ausgangspunkt für seine beispiellose Karriere.
Kindheit und Jugend in Wien
Fritz Lang wurde am 5. Dezember 1890 in Wien geboren. Seine Eltern, Anton Lang und Pauline Schlesinger, führten ein bürgerliches Leben. Sein Vater war ein angesehener Architekt, und die Familie lebte im gehobenen Wiener Gemeindebezirk Mariahilf. Die kulturelle Vielfalt Wiens zur Jahrhundertwende prägte den jungen Lang nachhaltig. In dieser Zeit war Wien ein Schmelztiegel der Künste, Wissenschaften und philosophischen Ideen, der später als „Wiener Moderne“ bekannt wurde.
Lang wuchs in einer Zeit auf, in der der Jugendstil und die Werke von Künstlern wie Gustav Klimt und Egon Schiele die Stadt prägten. Auch die Literaten Arthur Schnitzler und Stefan Zweig sowie die musikalischen Kompositionen von Gustav Mahler beeinflussten die kulturelle Atmosphäre. Diese künstlerische und intellektuelle Umgebung diente als fruchtbarer Boden für Langs spätere filmische Visionen.
Studium und die Anfänge der Kunst
Nach dem Abschluss seiner Schulausbildung begann Lang ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Wien, dem heutigen Technikum. Dieses Studium reflektierte die Erwartungen seines Vaters, doch Langs Interesse galt schon bald den bildenden Künsten. Parallel dazu studierte er Malerei an der Wiener Kunstakademie und ließ sich von der Avantgarde der Zeit inspirieren. Es war diese doppelte Ausbildung, die seine späteren Filme mit ihren beeindruckenden architektonischen Szenerien und ihrer visuellen Ästhetik prägte.
Lang zeigte schon früh ein großes Interesse an erzählerischen Künsten. Seine Leidenschaft für Geschichten und Mythologie fand in Wien ihren ersten Ausdruck. Die reiche Theaterlandschaft der Stadt, insbesondere das Burgtheater, faszinierte ihn. Die Mischung aus klassischer Tragödie und modernen Dramen beeinflusste Langs Spätwerk deutlich, in dem er oft moralische Konflikte und komplexe Charaktere darstellte.
Wien als kultureller Einfluss
Die Stadt Wien war Anfang des 20. Jahrhunderts eine Metropole voller Kontraste. Während die künstlerische Avantgarde blühte, war die Gesellschaft tief in traditionellen Werten verwurzelt. Diese Spannung zwischen Fortschritt und Tradition spiegelte sich auch in Langs Filmen wider. Werke wie Metropolis behandeln ähnliche Gegensätze: die Konflikte zwischen Technik und Menschlichkeit, Moderne und Konservatismus.
Langs Liebe zu Wien blieb auch später in seinem Leben bestehen. Obwohl er die Stadt 1910 verließ, um in Paris und später in München und Berlin zu leben, kehrte er oft gedanklich und künstlerisch zu seinen Wurzeln zurück. Seine Frühwerke, darunter erste Kurzfilme und Drehbücher, zeugen von seiner Verbindung zur Wiener Theatertradition und zum visuellen Stil des Jugendstils.
Der Weg aus Wien
1910 entschied sich Lang, Wien zu verlassen und sich auf Reisen durch Europa und Nordafrika zu begeben. Diese Reisen erweiterten seinen Horizont und gaben ihm die Möglichkeit, neue künstlerische Eindrücke zu sammeln. Dennoch bleibt Wien der Ort, an dem Lang seine künstlerische Basis entwickelte.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte Lang kurzzeitig nach Österreich zurück und wurde als Soldat eingezogen. Während dieser Zeit begann er, erste Drehbücher zu schreiben. 1918, nach einer Verletzung, zog er nach Berlin, wo er in der aufstrebenden Filmindustrie schnell Fuß fasste. Berlin bot ihm die Möglichkeit, seine in Wien entwickelten künstlerischen Visionen in größere filmische Projekte zu übertragen.
Wien in Langs Filmen
Obwohl Fritz Lang selbst nie einen Film explizit über Wien drehte, sind die Einflüsse seiner Heimatstadt in seinem Werk deutlich zu erkennen. Die Architektur und das Design vieler seiner Filme, insbesondere in Metropolis, spiegeln die ästhetischen Ideen wider, die er in Wien kennengelernt hatte. Die Liebe zum Detail, die Verwendung von Symbolik und die dramatischen Kontraste zwischen Licht und Schatten sind alles Elemente, die auf seine frühen Erfahrungen in Wien zurückzuführen sind.
Darüber hinaus lässt sich argumentieren, dass Langs Interesse an gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen von der politischen und sozialen Lage Wiens zu Beginn des 20. Jahrhunderts beeinflusst wurde. Die Stadt war damals ein Zentrum politischer Spannungen, die schließlich zum Untergang der Habsburger Monarchie führten. Diese Themen von Aufstieg und Fall sowie die Auseinandersetzung mit moralischen Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch Langs Filmografie.
Fazit: Wien als Wiege des Genies
Fritz Langs Zeit in Wien mag relativ kurz gewesen sein, doch die Stadt prägte ihn entscheidend. Sie war nicht nur sein Geburtsort, sondern auch die Grundlage für seine künstlerische und intellektuelle Entwicklung. Die kulturelle Vielfalt und die dynamische Atmosphäre Wiens boten Lang das ideale Umfeld, um seine einzigartigen Visionen zu entwickeln.
Heute erinnert man sich an Lang vor allem als Meister des deutschen Expressionismus und als Hollywood-Regisseur. Doch seine Wurzeln in Wien bleiben ein zentraler Teil seiner Identität. Wer die Stadt heute besucht, kann sich leicht vorstellen, wie der junge Lang durch die Straßen Wiens wanderte, von Theatern und Galerien inspiriert, und erste Ideen für die Geschichten und Bilder sammelte, die die Filmwelt revolutionieren sollten.
Bundesarchiv, Bild 102-08538 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 102-08538, Fritz Lang bei Dreharbeiten, CC BY-SA 3.0 DE